Stockmutter stets signiert

Solange die Ableger noch klein sind, lässt sich die Königin leicht finden. Wir warten, bis sie ein ordentliches Brutnest angelegt hat und mit dickem Hinterleib behäbig über die Wabe schreitet. Die wenigen Waben sind schnell auseinandergerückt und die Königin mit Hilfe einer Abfangzange (siehe Bild oben links sowie unten) von der Wabe gepflückt. Die Arbeitsbienen, die mit in den Abfangkäfig geraten, entweichen durch die Schlitze, die wie beim Honigraum-Absperrgitter nur die Königin zurückhalten.
Mit der Hand berühren wir die Königin nicht: Sie soll möglichst wenig gestresst werden und keine unnötigen Fremdgerüche annehmen, die sie beim Zurücksetzen gar gefährden könnten. Wer die Königin mit der Hand abfängt oder beim Zeichnen zwischen den Fingern festhält, läuft zudem Gefahr, zu großen Druck auf das zarte Insekt auszuüben, wobei die äußeren Eileiter verkleben könnten, wie behauptet wird. Angeblich sollen Studien belegen, dass von Hand gezeichnete Königinnen daher eine schlechtere Legeleistung erbringen. Wir gehen also keine unnötigen Risiken ein und erledigen die Arbeit mit einfachen Hilfsmitteln genauso schnell und sicher! Außerdem sind die Finger durch die Arbeiten im Bienenstock und das Anfassen der Rähmchen völlig mit Kittharz verschmiert, wie man vielleicht auch auf obigen Bildern erkennen kann.

Viele zeichnen die Königin auch gar nicht: Sei es, dass sie als Berufsimker zu viele Völker haben, um sich die Mühen zu machen, sei es, dass sie als Anfänger Schwierigkeiten haben, die Königin im Getümmel wiederzufinden und es daher zu aufwändig finden oder warum auch immer. Das Zeichnen ist also kein Muss, aber in unserer kleinen Familienimkerei mit vielleicht zwanzig Königinnen im Jahr ein freudiger und hilfreicher Standard. So können wir die Königin noch einmal genau begutachten, ihr Aussehen auf der Stockkarte dokumentieren und ihr zugleich auch einen Flügel einkürzen, damit sie - sollte sie doch einmal schwärmen wollen - nicht mit der Volksmasse davonfliegen kann, sondern plump auf dem Boden landet. So gehört das Einfangen von Schwärmen mit langen Leitern bei uns inzwischen zu den absoluten Ausnahmen. (Es müsste sich dann schon um einen Nachschwarm mit junger, unbegatteter Königin oder um einen fremden Schwarm handeln.)

Ich übe diese Praxis des Flügelstutzens seit über dreißig Jahren und habe nie erlebt, dass diese Königinnen Akzeptanzschwierigkeiten oder sonstige Nachteile hätten, wie bisweilen behauptet wird.  Die Flügel sind ohne Nerven oder Durchblutung und werden bei Ameisen z.B. sogar abgeworfen. Die Bienenkönigin behält sie bestenfalls zum Schwärmen, was wir ohnehin verhindern wollen. Wer die ausgefransten Flügel abgearbeiteter Arbeitsbienen bestaunt hat, weiß, dass die Flügel leicht eingekürzt werden können. Wir machen dies nur einseitig bei einem Deckflügel. Wer es dennoch verwerflich findet, kann gerne Königinnen ohne gestutzte Flügel bei uns beziehen.

Sowohl zum Flügelstutzen als auch zum Kennzeichnen der Königin mit einem nummerierten Farbplättchen nutze ich ein selbst gebasteltes Zeichenröhrchen, das auf nebenstehenden Bildern zu sehen ist: Eine durchsichtige und flexible, aber recht feste Kuststofffolie, die zuvor als Deckhülle eines Schnellhefters diente, wird zurechtgeschnitten und zum Rohr gerollt. Auf ein Ende wird mit Silikon ein zurechtgeschnittenes Stück Kunststoffabsperrgitter (mit Rundstäben) geklebt. Vom anderen Ende wird ein üblicher Schieber, der dick mit Schaumstoff gepolstert ist, eingeführt. (Ich hatte solch einen Schieber von einem kaputten Zeichenröhrchen über, man kann notfalls aber auch auf den Schieber des bekannten  Kindereises zurückgreifen oder sich aus Holz den selbst herstellen.)

Das Flügelstutzen lässt sich bei den gekauften Zeichenröhrchen mit Netzgitter schwieriger bewerkstelligen, weil erst ein Flügel durch das Netz geholt werden muss. Bei diesem Röhrchen ist das auch ohne Pinzette kein Problem.
Wenn irgend möglich, ziehe ich mich für diese Aktion in einen geschlossenen Raum, notfalls auch ins Auto zurück, da die Königin erst vorsichtig von der Abfangzange ins offene Röhrchen lanciert werden muss. Dabei ist sie mir auch schon einmal eine entwischt und die Sucherei im hohen Gras ist aufwändig.

Nach dem Stutzen erhält die Weisel noch ihr nummeriertes Farbplättchen. Dazu nutzen wir einfach handelsübliche Streichhölzer, deren blankes Ende kurz in die Klebe getaucht wird, so dass sich hier ein passendes Tröpfchen bildet und dann auf den Rücken der Königin getupft wird. (Die Streichhölzer können nämlich einfach nach Gebrauch weggeworfen werden, während offizielle Zeichenstäbe stets gereinigt werden müssen und auch nicht besser funktionieren.) Das mittels Streichholz aus der Pappe gedrückte Farbplättchen wird ebenfalls mit dem Streichholzende, das zuvor mit der Zunge befeuchtet wird, zum Rücken der Königin geführt und dort auf den Klebepunkt gedrückt (siehe Bild oben).

Die Farbplättchen gibt es mit Kleber für kleines Geld im Fachhandel und reichen Jahre: Für jedes Jahr stehen über 100 Plättchen (davon einige ohne Nummer) zur Verfügung. Wir halten uns streng an die offizielle Jahresreihenfolge von hell auf dunkel: 2016 weiß, 2017 gelb, 2018 rot, 2019 grün, 2020 blau und 2021 wieder weiß usw. So wissen wir immer genau, wie alt die Weisel im Stock schon ist. Da bei unserem ostfriesischem Wind eine Stockkarte, auf der solch wichtigen Notizen stehen, auch einmal schnell wegwehen kann, versehen wir zusätzlich den unteren Brutraum von außen mit einer entsprechend farbigen Reißzwecke: Diese gibt es nämlich günstig in Dosen mit den gleichen Farben.

Eine Königin darf nach ihrem Geburts- und Begattungsjahr bei uns i.d.R. noch zwei Wirtschaftsjahre ihre Legerolle ausüben, bevor umgeweiselt wird. Bei unbefriedigender Leistung wird auch einmal früher umgeweiselt, wenn wir von einer Königin aber noch nachziehen wollen, behalten wir sie auch länger, dann bringt sie aber nicht mehr die gewünschte Leistung für ein Wirtschaftsvolk.

Durch die Farbplättchen wissen wir immer genau, wie alt die Weisel ist, die wir vor uns haben und außerdem wird sie auch von Kindern bei der Durchsicht eines Volkes bzw. Brutraumes schnell entdeckt. Das kann bei bestimmten Eingriffen wichtig sein: Wir entnehmen z.B. zur Schwarmverhinderung den Vollvölkern regelmäßig besetzte Brutwaben, die wir zugleich zur Ablegerbildung brauchen. Da darf natürlich keine Königin darauf sitzen, die man, wenn sie nicht auffällig gekennzeichnet ist, vielleicht übersehen könnte. Umgekehrt setzen wir auch einmal die Königin bewusst in einen Ableger um, um z.B. von dem entweiselten Volk Weiselzellen pflegen zu lassen.

Das Kennzeichnen der Königin (oder kurz auch "Zeichnen" genannt) können wir also nur empfehlen. So kann man auch leicht feststellen, wenn die in die Jahre gekommene Königin, die man für Zuchtzwecke immer noch ein wenig länger behalten will, doch plötzlich vom Volk heraus geschmissen wurde und es eine so genannte "stille Umweiselung" gab: Dan läuft nämlich plötzlich eine ungezeichnete Königin durchs Volk. Die Erklärung, dass sie nur das Klebeplättchen verloren haben könnte, zieht bei uns auch nicht: Der gestutze Flügel wächst nämlich nicht nach!
vSa